Abschnitt 1
Der Mantel
Eine Novelle von Nicolaj Gogol
In einer russischen Ministerialabteilung – – – –
Aber es ist wohl besser, ich sage nicht, in welcher Ministerialabteilung es war. Es gibt in Rußland kein empfindlicheres Menschengeschlecht als das der Ministerial-, Regiments- und Kanzleibeamten – kurz alles dessen, was man unter der Bezeichnung »Beamte« zusammenfaßt. Jeder glaubt, wenn er irgendwie gekränkt wird, die ganze Klasse sei in seiner Person beleidigt.
Kürzlich soll ein Isprawnik – ich weiß nicht mehr, in welcher Stadt – einen Bericht verfaßt haben, der den Zweck hatte zu beweisen, daß die Erlasse der Regierung nicht mehr befolgt würden, daß man es sogar wage, den heiligen Titel Isprawnik in verächtlichem Sinne auszusprechen; und zur Begründung seiner Behauptungen legte er seinem Bericht einen ungeheuren Folianten bei, der eine Art Roman enthielt, in dem auf jeder zehnten Seite ein Isprawnik vorkam – stellenweise sogar in vollständig betrunkenem Zustande.
Um daher von vornherein allen etwaigen Reklamationen einen Riegel vorzuschieben, will ich lieber die Ministerialabteilung, die der Schauplatz meiner Geschichte ist, nicht mit unzweifelhafter Deutlichkeit angeben und vorsichtshalber sagen: »In einer gewissen Kanzlei.«
Also in einer gewissen Kanzlei war »ein gewisser[3] Mann« angestellt, ein Beamter, von, ich kann es nicht verhehlen, von ziemlich unscheinbarem Äußeren. Er war von kleiner Statur, sein Gesicht war ein wenig pockennarbig, das Haar ein wenig rot, an der Stirn ziemlich weit zurückgewachsen, beide Schläfen und Wangen waren von Runzeln durchfurcht – von anderen Unvollkommenheiten zu schweigen ... So das äußere Bild unseres Helden, wie es das Petersburger Klima zugerichtet hat.
Was seinen Beamtenrang anging – denn bei uns muß man vor allen Dingen den Beamtenrang angeben – so war er, was man einen ewigen Titularrat zu nennen pflegt, eines jener unglücklichen Wesen, über das, wie männglich bekannt, sich verschiedene Schriftsteller lustig m...